Operation Thule
Ein deutsches Sonderkommando im Zweiten Weltkrieg, eine alte Steintafel - und viel Action!
Ein mysteriöser Sonderbefehl der deutschen Heeresleitung schickt eine Gebirgsjägereinheit auf ein Himmelfahrtskommando.
Die Soldaten Konrad Hartmann und Daniel Kemper werden nach Finnland abkommandiert. Dort beteiligen sie sich an der deutschen Großoffensive gegen die Sowjetunion.
Rasch jedoch wird den beiden Freunden klar, dass ihr eigentlicher Auftrag ein ganz anderer ist. Ihre Eliteeinheit setzt sich ab, angeführt von SS-Obersturmbannführer Rudolf Krieger und einer seltsamen Frau, die über noch seltsamere Fähigkeiten verfügt.
Obskure Hinweise auf einer Steintafel aus den Zeiten der Wikinger; zwei Raben, die nur von wenigen gesehen werden; undurchdringlicher Nebel, der nicht nur die Sinne narrt – sondern auch die Zeit verschiebt?
Konrad und Daniel stolpern von einer Gefahr in die nächste und schlussendlich auf einen Pfad, den eigentlich kein Sterblicher betreten sollte …
Zweiter Weltkrieg trifft auf nordische Mythologie – ein hartes, explosives Gemisch voller Überraschungen.
Von der Wewelsburg in die Gefilde der nordischen Göttersagen!
Aus einem Museum in Oslo entwendet der Reichsarchäologe Rudolf Krieger eine Steintafel aus den Zeiten der Wikinger.
Während Krieger die auf der Tafel verborgenen Hinweise in der Wewelsburg entschlüsselt, kämpfen die Gebirgsjäger Daniel Kemper und Konrad Hartmann zusammen mit den Kameraden ihrer Eliteeinheit in Griechenland. Unerwartet rasch jedoch werden sie nach Finnland abkommandiert, um im Rahmen von „Operation Barbarossa“ in Russland einzufallen. Ihre eigentliche Operation aber trägt den Namen „Thule“ – nur wissen die Männer zu diesem Zeitpunkt noch nichts davon.
Je länger sich diese spezielle und ungewöhnliche Mission allerdings zieht, desto mehr verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und einer anderen Ebene, in der ebenfalls ein Krieg tobt. Dieser ist ganz anderer Natur, aber deswegen nicht minder tödlich als der Kampf gegen russische Einheiten.
Es gibt nur eine einzige Gewissheit: Der Tod lauert in beiden Welten …
LESEPROBE
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10. April 1940 – Oslo, Norwegen
Kristoffer Andersson blickte aus einem der Bogenfenster des Historischen Museums. Eine Hand lag auf dem Sims, die Finger der anderen zupften an seiner Unterlippe herum, während seine Augen den sporadischen Leuchtspurlinien der norwegischen Maschinengewehre folgten, die sich im Nachthimmel verloren. Zu ihnen gesellte sich der Lichtblitz einer explodierenden Flakgranate. Für einen Herzschlag erhellte das gleißende Zucken einige dutzend Fallschirme, die wie fliegende Pilze nach unten schwebten.
Das wird die Deutschen niemals aufhalten!, dachte er verzweifelt und versuchte die Trockenheit in seiner Kehle wegzuschlucken. Der zweite Tag seit den ersten Bombenangriffen – und Norwegen scheint verloren!
Er räusperte sich, löste die Hand von der Unterlippe, drehte sich herum – und wäre beinahe mit Fredrik kollidiert, der hinter ihm stand und das Geschehen ebenfalls verfolgte.
Fredriks grauer Schnurrbart zitterte, als er sagte: „Das können wir nicht schaffen.“ Ein Seufzen, und seine Schultern sackten nach unten. Der Frack, der sich normalerweise über dem stattlichen Bauch spannte, hing nun lose um seine Gestalt. Überhaupt schien der ganze Mann geschrumpft, zusammengestaucht von der Furcht, die Schätze hier zu verlieren.
Kristoffer klopfte seinem Vorsteher und Freund auf die Schulter und schob sich an ihm vorbei in den Gang, der zum Ostflügel führte. Seine Schritte erzeugten ein hallendes Pochen auf den Marmorplatten. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, tastete sein Blick liebevoll über die Sammlung: Wikingerhelme, Schilde und Schwerter, pfleglich konservierte Holzplanken aus den berüchtigten Drachenbooten …
Ein Schuss.
Kristoffer wirbelte herum.
Dann noch einer, und noch einer, bis von anderswo das ratternde Stakkato eines Maschinengewehrs antwortete. Es klang so nah, als würde hier im Museum gekämpft.
Wieder ein Feuerstoß.
Durch eines der Fenster drang unstetes Flackern, wie von einer defekten Glühbirne, nur viel schneller. Ein Schrei, danach Stille. Kristoffer ließ seinen angestauten Atem entweichen und ging weiter. Jedes dieser Ausstellungsstücke hatte seine eigene Geschichte. Zusammengenommen bildeten sie ein Buch, das Ereignisse und Fundorte im Gedächtnis verband.
Einzig die Erinnerung daran würde ihm bleiben. Er prägte sich alles ein. Nur im Geist wäre es möglich, das Museum dereinst in seiner ganzen Pracht zu durchwandern, denn die Deutschen würden kommen, und sie würden sich gütlich an dem tun, das zusammenzutragen Fredrik und er sich zur Lebensaufgabe gemacht hatten. Kunstraub war eine der Lieblingsbeschäftigungen der Hakenkreuzler.
Kristoffer schloss die Augen und sog den Duft des Museums auf: altes Holz, vermischt mit einem Anhauch von Staub, der zu einem Museum gehörte wie guter Wein zum Essen, dazu das leicht Muffige der erhaltenen Kleidungsstücke. Sogar das Metallische der Schwerter meinte er zu riechen.
„Kristoffer!“
Fredriks Ruf riss ihn zurück in diese schreckliche Nacht, und das Rattern und Krachen des Kampfes zerfetzte den flüchtigen Moment Erinnerungsseligkeit.
„Ja?“
„Ein Fahrzeug! Vor dem Museum!“
Kristoffer eilte zurück. Auf halbem Weg begann er zu humpeln, da sein Knie schmerzte, das er sich bei einer Ausgrabung nahe Trondheim verrenkt hatte.
Fredrik riss den linken Flügel des Eingangstores auf. „Es ist Sondre!“
Kristoffers Schritte wurden langsamer, gleichzeitig beschleunigte sich sein Herzschlag.
Was macht Sondre denn noch hier?
Gerade stolperte der junge Schlacks herein, schrecklich anzusehen in seiner zerrissenen Hose und dem nassen, schlammverschmierten Hemd. Die Hände auf die Knie gestützt, schöpfte er keuchend Atem.
„Was ist passiert?“, fragte Kristoffer mit enger Kehle. „Warum bist du nicht über alle Berge?“
„Die … Deutschen“, japste Sondre und wandte Kristoffer sein schmales Gesicht zu. Seine Augen zuckten wie die eines Kaninchens, dem eine Meute Jagdhunde nachhetzte. „Überall … Kein Durchkommen … Haben es querfeldein versucht … Wären um ein Haar stecken geblieben.“
Kristoffer zerwühlte wieder seine Unterlippe. „Dann … dann bring es wieder rein!“
Er blickte Sondre nach, wie er die Stufen hinabstieg und zu dem Laster eilte. Die Perlschnüre des Regens jagten nach unten wie tausende Silbernadeln, beleuchtet vom Mond oder dem Flakfeuer. Täuschte er sich, oder befanden sich einige Einschusslöcher in der Karosserie des Lasters? Zusammen mit seinem Freund Marius, der im Laster gewartet hatte, klappte Sondre den Verschluss der Ladefläche nach unten und zog unter lautem Ächzen den in ein großes Tuch gewickelten Gegenstand zu sich heran. Er hatte die Größe einer Tischplatte, und Sondre und Marius schnauften, als sie ihn die Stufen nach oben in das Museum schleppten. Kristoffer schloss das Portal, doch der Knall konnte ein Geräusch nicht ganz ausblenden, das zwischen den Hausfassaden unnatürlich laut klang: das Klirren und Quietschen von Ketten, die über Kopfsteinpflaster ratterten.
„Die Deutschen!“, hauchte Fredrik, und das Blut wich aus seinem Gesicht.
„Die Platte darf ihnen nicht in die Hände fallen!“ Gedanken peitschten durch Kristoffers Kopf wie Querschläger. Wohin damit? Welchen Ort würden die Deutschen nicht finden? Das Museum war groß – aber gab es da ein gutes Versteck?
Der Keller?
Zu offensichtlich.
„Bringt es in den Abstellraum mit unseren Kostümen“, sagte Kristoffer, einem plötzlichen Geistesblitz nachgebend. „Stellt es hinter das Regal mit dem ganzen Krimskrams. Beeilung!“
Vor Anstrengung schnaufend beförderten Sondre und Marius die Steintafel aus der Eingangshalle. Der Ort, an dem sie ihre Verkleidungen für ihr alljährliches Theaterstück über Leif Eriksson verwahrten, würde die Deutschen bestimmt nicht interessieren.
Und wenn doch?
Kristoffer raufte sich die Haare. Da stießen Fredrik und er auf einen sensationellen Fund, brachten ihn ins Museum – und kaum dass sie die ersten Schriftzeichen halbwegs entziffert hatten, kamen die Deutschen!
„Bleib ruhig, Kristoffer“, sagte Fredrik und lächelte, was neue Furchen in sein Gesicht legte. „Wir dürfen uns nichts anmerken lassen.“
„Du hast recht“, pflichtete Kristoffer bei und unterdrückte den Griff zur Unterlippe. „Trotzdem …“
„Ich weiß. Du sitzt hier, wartest und bist völlig ohnmächtig.“
„Sie werden uns alles nehmen.“
Fredrik seufzte einfach, was mehr ausdrückte als jedes Wort.
Sondre und Marius kehrten zurück, ihre Gesichter schweißgebadet. „Fertig.“
„Gut.“
„Wir müssen noch die anderen Fundstücke holen.“
Kristoffer schluckte. Die Münzsammlung, die Schmuckwaffen und erhaltenen Schriften – all das lag noch auf der Ladefläche.
„Macht schnell!“
„Wohin damit?“
Kristoffers Gedanken überschlugen sich. Die Deutschen würden bestimmt misstrauisch, falls sie nur archäologische Durchschnittsware fänden. „Bringt sie zurück zu ihren angestammten Plätzen.“ Die Steintafel zählte mehr als alle anderen Schätze zusammen. Lieber ein paar Bauern opfern als die Dame.
Sondre stutzte, widersprach jedoch nicht, und winkte Marius her. Sie öffneten den rechten Flügel und liefen gegen den Regen geduckt nach draußen.
Wenige Augenblicke später kehrten sie zurück, langsam, rückwärtsgehend, die Hände über den Kopf gehoben.
Kristoffer schnürte es die Kehle zu, als er Schritte auf der Treppe hörte. Dann betrat die SS das Historische Museum von Oslo: drei Männer in schwarzen Uniformen mit der unverkennbaren roten Armbinde, wo das Hakenkreuz auf weißem Grund prangte. Sie hatten Maschinenpistolen im Anschlag, deren Läufe auf Sondre und Marius zeigten und nun auf Fredrik und Kristoffer schwenkten. Danach kamen weitere Soldaten, die sofort begannen, die Räume des Museums zu sichern.
„Feindfrei“, erklang es nach und nach, woraufhin ein Soldat mit Funkgerät etwas in den Hörer murmelte. Wenig später hörte Kristoffer über das Platschen des Regens erneut Schritte auf der Außentreppe. Ein Mann mit Glatze und blassem Gesicht betrat das Museum. Er blieb stehen, sah sich um, als sauge er die Aura dieses Ortes in sich auf.
Kristoffer widerstand der Versuchung, die Fäuste zu ballen. Die Steintafel werdet ihr nicht in eure dreckigen Finger bekommen!
Dann gefroren seine Gedanken, als der Glatzkopf ihn ansah. Augen so dunkel, dass man die Pupillen nur erahnen konnte; sie waren wie Murmeln, kalt und leblos. Der Mann kam auf ihn zu, langsam, seine Schritte kurz, fast ein Watscheln.
„Kristoffer Andersson, nehme ich an.“ Die Stimme jagte Kristoffer einen Schauer über den Rücken, ungeachtet dessen, dass der Mann leicht näselte und auch der Rest von ihm nicht sonderlich Ehrfurcht gebietend wirkte, die fleischigen Wangen zum Beispiel, oder der ins Dickliche gehende Körper.
„Dass Sie Deutsch sprechen, macht die ganze Sache einfacher“, fuhr der Mann fort. „Studium der Kunstgeschichte in Berlin und Paris, danach der hiesige Kurator und Leiter des Museums. Ein beachtlicher Werdegang.“
Kristoffer fühlte ein Wühlen im Magen, wie nach schlechtem Essen. „Das ist richtig.“
„Ich bin SS-Sturmbannführer Rudolf Krieger. Im Auftrag unseres geschätzten Reichsführers Heinrich Himmler inspiziere ich die Bestände der Museen.“ Seine Lederhandschuhe knirschten, als er eine auffordernde Geste machte. „Nach Ihnen, Herr Andersson.“
Wie von einer unsichtbaren Macht gepackt, drehte sich Kristoffer herum und ging voraus. Hinter sich hörte er die Schritte Kriegers und seiner Schergen. Fredrik begleitete ihn, und das allein gab Kristoffer die Kraft, aufrecht zu gehen und nicht einfach niederzusinken. Er hatte sich vorgenommen, den letzten Gang durch sein Museum mit Würde durchzustehen, aber die Präsenz dieses bleichgesichtigen SS-Mannes brachte ihn aus der Fassung. Lieber wäre ihm ein kerniger Soldat gewesen, aufrecht wie ein Ladestock, mit bellender Stimme und herrischem Gestus, der nur das Kämpfen im Sinn hatte und von Archäologie wenig verstand. Dieser Sturmbannführer allerdings …
Schweigend schritten sie entlang der Ausstellungsstücke. Hier und da blieb Krieger stehen und deutete auf einen Helm oder eine Tonvase, ein Schwert oder eine Skulptur. Kristoffers Anzug klebte schweißnass an seinem Rücken. Der Mann verstand etwas von Archäologie. Leider.
Einen Ausstellungsraum nach dem anderen schritten sie ab, und während der ganzen Zeit sprach niemand, die einzigen Geräusche die Schritte der Soldaten und ein leises Schaben von Papier und Handschuhen, während sie die von Krieger ausgewählten Stücke mit Etiketten versahen.
Den Rundgang erlebte Kristoffer wie in Trance, und der Schmerz in seinem Knie durchdrang die Blase um seinen Geist erst, als sie sich auf dem Weg zurück zur Eingangshalle befanden. Unbeabsichtigt fing er an zu humpeln.
„Geht es Ihnen nicht gut?“, fragte Krieger.
„Eine alte Verletzung, die ich mir bei einer Ausgrabung zugezogen habe“, sagte Kristoffer, in dem Versuch, seine Stimme ruhig zu halten. Sie waren an dem Abstellraum vorbei, und weder Krieger noch einer der Soldaten hatte gezögert.
Geh jetzt!, flehte Kristoffer innerlich. Verschwinde!
Krieger blickte ihn unverwandt an.
Kristoffer wurde heiß, doch hielt er dem Blick dieser Augen stand.
Ein Lächeln erschien auf Kriegers Gesicht, als zerrten Angelschnüre an den Mundwinkeln. „Sie schwitzen, Herr Andersson. Dabei ist es hier angenehm kühl.“
„Das mag an der Situation liegen.“
Krieger nickte. „Dann werde ich jetzt gehen.“
Kristoffer wäre vor Erleichterung am liebsten in die Knie gegangen. „Ich wünsche Ihne…“
„Allerdings erst, wenn Sie mir erklärt haben, weshalb vor dem Museum ein Lastwagen steht, der Einschusslöcher hat.“
Kristoffer schluckte. „Nun, in ganz Oslo wird gekämpft, deswegen …“
Wieder lächelte Krieger, diesmal wie ein nachsichtiger Vater, der seinem Sohn zum zehnten Mal erklärte, warum die Sonne im Osten aufging. „Dann noch einmal: Warum steht ein Lastwagen vor dem Museum, der Einschusslöcher aufweist? Und warum liegt auf der Ladefläche ein makelloser Wikingerhelm? Und dazu eine kostbare Münzsammlung? Und Schmuckwaffen? Und in Ölhaut eingewickelte Schriftstücke? Warum ist die Ladeklappe nicht geschlossen, sondern heruntergeklappt?“
Kristoffer fühlte sich wie nach einem Faustschlag ans Kinn. Kriegers Gesicht hüpfte vor seinen Augen auf und ab, und Übelkeit hangelte sich seine Kehle hinauf. Er schluckte mehrmals, konnte aber nicht antworten.
„Ihre Knieschmerzen scheinen so schlimm, dass Sie nicht mehr sprechen können. Auch gut, dann beantworte ich die Fragen für Sie.“ Das Lächeln in Kriegers Gesicht verschwand. „Sie wollten die wertvollsten Stücke ihrer Sammlung in Sicherheit bringen, doch ihre beiden Fahrer konnten den Ring um Oslo nicht durchbrechen – und kehrten somit hierher zurück.“ Kriegers Augen zuckten zu Sondres schlammverkrusteter Hose, ehe sie wieder Kristoffer fixierten. „Ich traf just in dem Moment ein, als die beiden den Laster entladen wollten.“
Ein Schlund tat sich in Kristoffers Gedanken auf und verschlang seine Hoffnung. Nur die Angst hielt sich hartnäckig.
„Bleibt nur eine Frage: Wollten ihre Handlanger gerade das erste Mal zum Laster, um ihn zu entladen? Oder hatten sie bereits etwas zurück ins Museum geschafft?“ Ein Muskel auf Kriegers linker Wange zuckte. „Ich vermute Letzteres. Links auf der Ladefläche stauen sich die Gegenstände. Rechts ist viel Platz. Was mag dort wohl gelegen haben? Vielleicht können Sie mir ja helfen, Herr Andersson?“ Die letzte Frage schnitt sich wie eine Messerklinge in Kristoffers Ohren.
Seine Kehle war zundertrocken. Aus den Augenwinkeln erspähte er Fredriks Gesicht. Er kannte den Ausdruck.
Auf keinen Fall, Kristoffer, sag es ihm auf keinen Fall!
„Sie … Sie täuschen sich, Herr Sturmbannführer“, hörte Kristoffer sich sagen, und noch ehe seine Worte seine Lippen passierten, wusste er, dass er einen Fehler begangen hatte.
„Ihr Unwillen zur Kooperation ist sehr, sehr bedauerlich.“ Langsam glitt Kriegers Hand zu dem Holster rechts an seiner Koppel, und genauso langsam öffnete er den Verschluss und zog seine Pistole. Ein Schnappen, als er sie durchlud, gefolgt vom Klicken des Sicherungshebels.
Kristoffer öffnete den Mund, wollte etwas sagen, als sich der Lauf auf seine Brust richtete. Er schloss die Augen.
Ein ohrenbetäubendes Krachen, das seine Ohren klingeln ließ.
Trotzdem hörte er das helle Klimpern der Hülse auf den Bodenplatten. Ein Beißen in der Nase vom Schmauch. Allein der Schmerz blieb aus; kein explodierender Druck in seiner Brust.
Kristoffer öffnete die Augen und gewahrte eine Bewegung zu seiner Linken.
Fredrik schwankte, ein Seufzen floss über seine Lippen. Er wandte den Kopf in Kristoffers Richtung, ein Ausdruck der Verwunderung in den weit aufgerissenen Augen. Dann kippte er nach hinten und schlug auf.
„Fredrik!“ Sein eigener Schrei rauschte Kristoffer in den Ohren. Entsetzt riss er Fredriks Frack auf. Ein dunkelroter Fleck zerlief auf seinem cremefarbenen Hemd wie eine sich öffnende Rosenblüte.
Zwei Soldaten traten neben Kristoffer, packten ihn an den Schultern und rissen ihn nach oben. Seine tränenblinden Augen machten aus Kriegers Gesicht ein breiiges Rund.
„Du elendes Schwein!“, krächzte Kristoffer. „Du Feigling! Du miese Ratte!“ Er graste sein Gehirn nach weiteren deutschen Beleidigungen ab, doch ehe er eine weitere fand, sagte Krieger: „Schnappt euch den Schlacks und seinen Freund und stellt sie an die Wand.“ Die Stimme war so emotionslos, als hätte er seinen Soldaten befohlen, ihre Stiefel zu putzen.
Kristoffer hörte Sondres Wimmern und die Schritte der Soldaten. Marius flehte um Gnade.
„Warten Sie!“, rief Kristoffer und wischte sich die Tränen aus den Augen. „Ich zeige es Ihnen!“
Krieger hob die Hand, und die Soldaten ließen Sondre und Marius los. Die Männer brachen weinend in die Knie.
„Nach Ihnen“, sagte Krieger und deutete mit der Hand an Kristoffer vorbei, in einer getreulichen Nachbildung der Szene von vorhin.
ENDE DER LESEPROBE